Foto (bearbeitet): Octavian Dan

Corona hat natürlich auch das KMM-Studium stark beeinflusst. Im Sommersemester 2020 drohte beispielsweise ein bei den Studierenden sehr beliebtes Studienelement – das „Projektstudium“ – wegen der Pandemie auszufallen; eine mehrwöchige und enge Projekt-Kooperation mit Kultur- und Medieneinrichtungen war angesichts der strengen Distanz-Regelungen nicht möglich. Die Präsenzstudierenden des 31. Jahrgangs („KMM31“) wollten jedoch trotz „Corona“ nicht auf ein Semesterprojekt verzichten. Also schlugen sie vor, projektweise zu schauen, wie sich Kultur- und Medieneinrichtungen mit den Covid-Auswirkungen zu arrangieren bemühen. Damit er möglichst viele Sparten erfassen kann, formierte der Jahrgang mehrere Projektgruppen: Darstellende Kunst, Bildende Kunst, Musik, Fernsehen, Film, Digitale Medien, Festivals und Soziokultur.

Die Ergebnisse und Erkenntnisse des von KMM31 eigenständig definierten und ausgeführten Projektstudiums aus dem Sommersemester 2020 können Sie hier nachlesen und nacherleben.

Projekttitel: TV in Zeiten von Corona

Projektmitglieder: Benthe Stolz und Lukas Hanauska

In dem Forschungsprojekt “TV in Zeiten von Corona” haben Benthe Stolz und Lukas Hanauska den Verlauf der Veränderungen im TV während der Corona-Pandemie im Sommersemester 2020 dokumentiert. Dies ist eine Zusammenfassung und soll einen Überblick für den Zeitraum April bis Juni 2020 ermöglichen.

Benthe Stolz und Lukas Hanauska

Im Fokus standen die Veränderungen für die Mitarbeiter:innen in den TV-Redaktionen und nicht die programmatischen Inhalte. Hierfür wurden drei Interviews geführt um einen persönlichen Einblick in die Situation zu bekommen. Bei der Wahl der Interviewpartner:innen wurden unterschiedliche Parameter berücksichtigt. Nicht nur wurde jeweils ein/e Mitarbeiter:in von den Öffentlich-Rechtlichen sowie einem privaten TV-Sender ausgewählt sondern auch eine Person von einem internationalen Streaming-Anbieter. Der Forschungsgruppe war es besonders wichtig, die Situation von unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, um mehr Transparenz zu erhalten. Auch wenn Streaming nicht im linearen TV inbegriffen ist, stellt es einen bedeutenden Faktor in der Medienlandschaft dar. Mit wachsenden Zuschauerzahlen werden Streaming-Anbieter eine ernstzunehmende Konkurrenz für die privat und öffentlich-rechtlichen TV-Sender.

Im linearen TV sind während des „Lockdowns“ starke Veränderungen für die Zuschauer:innen ersichtlich geworden. Zum Teil wurde ein anderes Programm ausgestrahlt als angekündigt, Sendungen wurden verschoben und Livesendungen haben ohne Publikum stattgefunden.1 Deutlich erkennbar ist ein genereller Anstieg der Nutzung in fast allen Medienbereichen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Anstieg von 20% im März 2020 im Vergleich zum Oktober des Vorjahres verzeichnet. Hier konnte auch die Mediathek der Öffentlich-Rechtlichen von einen Zuwachs profitieren. Im privaten Fernsehen konnte ein Anstieg von 25% dokumentiert werden. Als Verlierer der Pandemie gehen die Pay-TV-Sender hervor.2 Dies hängt wahrscheinlich mit dem Wegfall von Großsportveranstaltungen zusammen.

Durch die direkten Veränderungen, die für die Bevölkerung von Deutschland jeden Abend sichtbar im TV erkennbar war, wuchs die Neugier, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Arbeit hinter den Kulissen hat. Vom Norddeutschen Rundfunk stellte sich die Leiterin einer Themenredaktion für ein Interview zur Verfügung. Als direkte Veränderung konnte benannt werden, dass sich nur ein Minimum der Angestellten in der Redaktion aufhielten. Hauptsächlich wurde die Arbeit aus dem Home-Office erledigt. Partiell kam es zur Mehrarbeit, die vor allem in den ersten Wochen der Pandemie durch die Umstellung auf das Home-Office zustande gekommen ist. Im Privatleben konnte ein qualitativer Anstieg nachvollzogen werden, da die Mittagspausen mit der Familie verbracht wurden, der Arbeitsweg wegfiel und man im familiären Umfeld arbeiten konnte. In der Zusammenarbeit wurde deutlich, dass sich Rollen vollkommen verändert haben. Führungskompetenz ist nun abhängig von dem Faktor Medienkompetenz. Als fehlend wurden jedoch die Kreativ-Runden und Flurgespräche beschrieben. Hier fehle es am kreativen Austausch. Auch wenn nun im Programm mehr Platz für Kreativität ist, müsse man diese zumeist forcieren. Negativ aufgefallen sei, dass man mit den Kollege:innen weniger Zeit verbringen würde und der Fokus der Arbeit auf die Ergebnisorientierung reduziert wurde.

Eine andere interessante Perspektive bietet ein Redakteur eines regionalen, privaten Fernsehsenders. Im Redaktionsbüro wurde sich wöchentlich abgewechselt, damit man vor Ort sein konnte. Dies veränderte besonders die individuelle Arbeit. Außeneinsätze wurden massiv reduziert und die redaktionellen Tätigkeiten ins Home-Office verschoben. So kam es zu besonderen Herausforderungen, da hier direkter Austausch mit den Kolleg:innen per Telefon oder Videochat stattfand. Kurze Absprachen waren so kaum möglich.

Es wurde viel an eigenen Inhalten gearbeitet und dazu recherchiert, sowie Beiträge für Kolleg:innen vorbereitet. Trotz anfänglicher Eingewöhnung, bei der ein neuer Alltag gefunden werden musste, konnte hier keine Mehrarbeit verzeichnet werden. Bei den Außeneinsätzen wurden strenge Hygienestandards zu jeder Zeit eingehalten. Es wurde hier nicht nur Wert auf die Sicherheit der Belegschaft gelegt, sondern stetig auf die Vorbildfunktion geachtet. Die Protagonist:innen der Beiträge sollten zu jeder Zeit ein sicheres Gefühl haben. Dies war oberste Priorität, auch wenn es als Journalist:in gilt, bei jedem neuen Geschehen vor Ort zu sein. Der Interviewpartner sagte dazu:

„Als Journalist ist es ja immer auch dein Job, vor allem beim Fernsehen, vor Ort zu sein und Situationen zu erleben und mitzubekommen. Von daher war keiner so richtig geschockt. Inzwischen ist es eher inhaltlich schwieriger, weil wir sind jetzt in der Phase wo keiner mehr Corona hören möchte, wo viele Leute diese Lockerungen fast vergessen.“

Besonders schwierig war das Finden von neuen relevanten Inhalten, die nicht direkt mit der Pandemie zusammenhingen. Auch die geplante Sommeraktion, bei der der Sender unterschiedliche Vereine und Dorfgemeinschaften besucht, konnte nicht in gewohnter Form stattfinden. Dafür galt es eine Alternative zu finden.

Als nächstes wird der Blick auf die Streaming-Anbieter gerichtet. Die Situation der Streaming-Anbieter hatte sich mit Beginn der Corona-Pandemie enorm verbessert. Der Aufwärtstrend der letzten Jahre, die Zunahme an Abonnent:innen, Zuschauer:innen und Umsatz, setzte sich weiter fort. Streaming hatte ab März 2020 in allen Bereichen enormen Erfolg. Als Beispiele für diese Entwicklung kann der rapide Zuwachs bei Netflix angeführt werden. Der Streamingdienst profitierte allein im ersten Quartal von einem Zulauf von 16 Millionen und im zweiten Quartal von 7,5 Millionen Abonnenten.3 Im gesamten ersten Halbjahr waren es sogar 26 Millionen, nur zwei Millionen weniger als im gesamten Vorjahr.4 Der Zuwachs steht in einem starken Zusammenhang von dem ausgerufenen “Lockdown” in vielen Ländern, vor allem in Europa. Der “Lockdown” trat in den ersten Märzwochen in Kraft, was zu einem Anstieg des täglichen Streaming-Konsums von 7,5 – 44% führte.5 Das lässt sich damit erklären, dass durch den “Lockdown” die sozialen Aktivitäten stark eingeschränkt oder auch heruntergefahren wurden und die Bevölkerung in weiten Teilen nur lebenswichtige Erledigungen, wie Einkaufen, Tanken und Arztbesuche, tätigen durfte. Die meisten waren in ihren vier Wänden auf die Unterhaltung angewiesen, welche am einfachsten zugänglich war, die internetbasierten Streaming-Anbieter waren hier eine beliebte Option. Netflix ist einer der wichtigsten Film- und Serien-Produzenten in Hollywood und mit einem Produktionsvolumen von 17 Milliarden Dollar einer der größten.6 Diese Stellung innerhalb der Industrie konnte durch die Corona-Pandemie noch ausgebaut werden. Doch was hat sich für die Angestellten bei Streaming-Anbietern verändert? In einem Interview konnten wir einige Einblicke sammeln, wie sich die Zusammenarbeit der Kolleg:innen untereinander und die individuelle Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert hat.

Aus einem Interview mit einem Angestellten von Netflix erfahren wir über die Zusammenarbeit im Frühjahr:

„In meinem Arbeitsbereich ist sie sehr umfangreich und auch nicht weniger geworden. Das lässt sich sehr anständig auch von Zuhause aus erledigen und gestalten. Für mich spielt es keine Rolle ob ich zuhause oder im Büro bin. Ich habe relativ viele Meetings, die haben sich dann verlagert zu Videokonferenzen. Also insofern konnte vieles so bleiben, nur dass sich das Medium verändert hat.“

Die Umstellung auf Online-Kommunikationslösungen war ein wiederkehrendes Thema in unseren Forschungsergebnissen. Alle Befragten gaben an, dass diese Veränderung am gravierendsten war. Im Bezug auf die individuelle Arbeit wurde vor allem die Ruhe und Entschleunigung genannt:

“… sowie verschiedene Filmfeste vielleicht auch mal überprüft werden auf die Notwendigkeit dort als Executive überall hinreißen, Hände zu schütteln und bei der Berlinale z.B. über 1000 Menschen zu sprechen. Ich glaube, dass sich das Arbeiten über Videokonferenz, Panels, Talk und auch das Arbeiten mit Hochschulen einfacher werden könnte und natürlicher macht.”

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich während des Frühjahrs 2020 die Auswirkungen der Corona-Pandemie in den Fernsehredaktionen und bei den Streaming-Anbietern bemerkbar gemacht hat. Es konnte in dieser Forschung festgehalten werden, dass der Wechsel auf Home-Office die wohl größte Umstellung war, aber nur minimal zu Mehrarbeit geführt hat. Besonders die sozialen Kontakte für kreativen Austausch fehlten den Befragten. Interessant wäre, die Interviews noch einmal zu führen um zu sehen, wie der Verlauf der Pandemie die Arbeit beeinflusst und was sich in den letzten Monaten geändert hat.

Vielen Dank an die drei Expert:innen für die Bereitschaft, diese Forschungsarbeit zu unterstützen!

 

1 Mediacom Studie “Der Einfluss der Corona-Krise auf den TV Markt”, Vincent Christina, 2020, S. 20ff.