von Robert Peper, Kulturpolitische Gesellschaft (Vorsitzender der Regionalgruppe Hamburg). Zuerst veröffentlicht auf http://www.kupoge.de/regionalgruppen/hamburg.html
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Am Montag, den 1. Dezember, veranstalteten die Hamburger Regionalgruppe der kulturpolitischen Gesellschaft und der KMM-Alumniverein nwKm die Adventszeit mit einem 4. Kulturpolitischen Stammtisch ein. Ort des Geschehens war diesmal das Altonaer Stadtteilkulturzentrum „Motte“, wo bereits im Juni die Kultursenatorin zu Gast war. Michael Wendt, Geschäftsführer der Motte und selbst KuPoGe-Mitglied, stellte uns seine Räume wieder gerne zur Verfügung.
In Vorbereitung auf die Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 in Hamburg lädt der Stammtisch die kulturpolitischen Sprecher der Parteien ein. Nachdem Christa Goetsch von den Grünen im November den Anfang machte, folgte mit Norbert Hackbusch nun der Vorsitzende des Kulturausschusses der Freien und Hansestadt Hamburg und kulturpolitischer Sprecher der Partei Die Linke.
Norbert Hackbusch erzählte kurz etwas über seinen persönlichen Werdegang, bevor er sich den Fragen der Anwesenden stellte. So ist der Sohn eines Hamburger Werftarbeiters nun schon seit sieben Jahren Vorsitzender des Kulturausschusses und hat somit viele Höhen und Tiefen der Hamburger Kulturpolitik miterlebt. Dabei ist er selbst ein Gründungsmitglied der Hamburger Grünen-Partei, wechselte dann aber in die Gruppe »Regenbogen«, ehe er sich der Partei Die Linke anschloss. In seinem Leben abseits der Hamburgischen Bürgerschaft arbeitet Hackbusch für das Verlagshaus Gruner und Jahr. Er studierte zuvor VWL, Geografie und Pädagogik.
Die Position des Kulturausschuss-Vorsitzenden war damals die Position, die »übrig blieb«, so Hackbusch, was bereits den vermeintlich geringen Stellenwert des Kulturressorts in der damaligen Politik beschrieb. Schon bald aber sollte sich das ändern, da mit dem Bau der Elbphilharmonie sowie geplanten Kürzungen und Schließungsabsichten im Kulturbereich (zur Debatte stand im Jahr 2010, dass das Schauspielhaus und das Altonaer Museum geschlossen werden sowie starke Kürzungen bei den öffentlichen Bücherhallen vorgenommen werden) das Thema »Kultur« auf der Agenda der Politik plötzlich weiter oben stand. So sei es kein Zufall, so Hackbusch, dass mittlerweile mehrere Fraktionsvorsitzende, darunter der Bürgermeisterkandidat der CDU, im Kulturausschuss sitzen. Der Stellenwert der Kultur habe sich erhöht, weil die damaligen Bürgerproteste zeigten, dass das Kulturthema für den Wahlkampf entscheidend sein kann.
Hinsichtlich der Zukunft der Hamburger Kultur zeigte sich Hackbusch mäßig optimistisch. So seien die Hamburger Museen, insbesondere die Historischen Museen, immer noch nicht auskömmlich finanziert und könnten kaum in gewinnbringende Sonderausstellungen investieren. Momentan sieht es so aus, als wenn den Kultureinrichtungen von Jahr zu Jahr weniger Geld zur Verfügung stünde. Dabei seien es am ehesten die »großen Häuser«, vor allem die großen Theater und Opernhäuser, die sich hier durchsetzen könnten, während für die kleineren Kultureinrichtungen und die Freie Szene kaum Geld übrigbliebe. Die läge auch daran, dass die etablierten Institutionen besser wüssten, wie man Projektanträge schreibt und zu welchen Zeitpunkten man sich mit Kulturpolitik- und -verwaltung vernetzt. Größere Einrichtungen würden dabei »wie Staubsauger« alle finanziellen Mittel in ihrer unmittelbaren Umgebung aufsaugen.
Ein Kernproblem sieht Hackbusch also in der häufig fehlenden institutionellen Förderung. Die meisten Mittel, die z.B. an die Freie Szene gehen, sind Projektmittel, die für viel Unsicherheit sorgen, weil sie keine Planungssicherheit geben. Eine weitere Gefahr sieht Hackbusch in den Betriebskosten der Elbphilharmonie, die sich auf den Kulturetat niederschlagen könnten. Zwar hätte die Politik immer versichert, dass sich die Kosten der Elbphilharmonie niemals negativ auf die Kultur auswirken, jedoch spräche Bürgermeister Olaf Scholz mittlerweile vor allem von dem „Bau“ der Elbphilharmonie, der keine Konsequenzen für die übrige Kultur habe. Wie es aber um die »Betriebskosten« steht, die bald anfallen werden, darüber könne momentan nur gemutmaßt werden.
Hinsichtlich der Lage des Hamburger Haushalts erzählt Hackbusch, dass es vor allem drei Bereiche gäbe, die von Kürzungen nicht betroffen seien, nämlich die Kitas, die Schulen und die Polizei. In allen anderen Bereichen sehe es anders aus. Insofern sei die Kultur nicht das einzige Ressort, welches mit weniger Geld auskommen müsse. Angesprochen auf seine Meinung zur Elbphilharmonie sagt Hackbusch, dass er sie für ein »fatales Signal für die Hamburger Kultur« halte, da sie eigentlich in einem ziemlichen Gegensatz zu den aktuellen Trends der klassischen Musikszene stünde, welche ihre Konzerte gegenwärtig vielmehr an ungewöhnlichen, wechselnden Orten abhalte. Zudem sei dies eine ungünstige Vermittlung von Kultur für jüngere Zielgruppen (»drei Stunden stillsitzen, zuhören und dann wieder gehen«). Dem Vorschlag von Christoph Twickel, man könne den Rohbau der Philharmonie als Mahnmal stehenlassen, mochte sich Hackbusch allerdings dann doch nicht anschließen. Dafür sei er »zu sehr Politiker«.
Vor allem die aktuelle Situation der Bürgerhäuser und der Stadtteilkulturzentren sei aktuell in etwa „gleich schlecht“. Hackbusch aber ist der Meinung, dass es besonders wichtig ist, dass man in die sog. „Basiskultur“ einer Stadt investiert, also gerade in die stadtteilbezogenen Einrichtungen. Vergleiche mit London, New York oder Paris würden wenig Sinn machen, so Hackbusch. »In diesen Städten können die Leute ihre Mieten doch gar nicht mehr bezahlen. Wollen wir so werden wie die?«, fragt er kritisch. Wichtig sei es, gerade mit Blick auf die neu eingeführte „Kulturtaxe“, dass das Geld weniger in Tourismusmarketing und stärker in die »Seele der Stadt« investiert würde. Wenn eine Stadt authentisch ist und ihre Seele funktioniert, dann kommt der Rest von selbst, so die Meinung des Linken-Politikers.
In Hamburg gäbe es häufig Interessenkonflikte zwischen den Bezirken und der Landespolitik, so eine weitere Feststellung des Abends. Gerade die Stadtteilkulturzentren seien hiervon betroffen. Durch Zwänge, die von der Landespolitik ausgelöst werden, müssen die Bezirke oftmals handeln, ob sie wollen oder nicht. Als Konsequenz ergeben sie hieraus mitunter Umverteilungen bei den Kulturzentren. Andererseits entwickeln die Politiker der Bezirksversammlungen mit der Zeit Vorlieben für „ihre“ Einrichtungen und sehen irgendwann nicht mehr »das große Ganze«.
Hackbusch erklärte weiter, dass die freien Künstler sich der Öffentlichkeit offensiver präsentieren sollten. „Ich bin Künstler und ich lebe davon“, sollte ein Statement sein, welches von der Politik ernstgenommen wird. Das »kulturelle Selbstbewusstsein« von Künstlern müsse gesteigert werden, um die nötigen Gelder einwerben zu können. Momentan würden Künstler sich immer noch zu häufig unter Wert verkaufen, so die Ansicht Hackbuschs.
Insgesamt sei die Feststellung wichtig, dass man »Kultur nicht kaufen kann«. So sagt Hackbusch: »Man geht nicht in ein Geschäft und bestellt drei Pfund Kultur und bekommt die dann in einer Einkaufstüte«. Kultur wachse natürlich und sei an Orte gebunden. Vor allem die Ehrenamtlichen würden dafür sorgen, dass Kultur erhalten bliebe. Hier mangele es in Hamburg aber auch an einer nachhaltigen Ehrenamtsstrategie. »Wir brauchen Wirbelsäulen für das Ehrenamt«, so Hackbusch.
Allerdings sieht Hackbusch nicht alle Entwicklungen in Hamburg kritisch. So gäbe es mittlerweile den sog. »Quartiersfonds«. Gelder dieses Fonds gingen in stadtteilbezogene Kultur, so Hackbusch, und dieser Fonds werde jedes Jahr größer, was eigentlich ein gutes Zeichen sei. Er könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Kultur insgesamt auch gespart werden muss.
Als besonders wichtig stuft Hackbusch abschließend das Entwickeln von Visionen für die Stadt Hamburg ein. Die Stadt müsse wissen, wo sie in Zukunft hin möchte. Will sie so sein wie London oder Paris? Oder sich lieber auf ihre eigenen Qualitäten besinnen? Was soll schwerpunktmäßig gefördert werden? Eine Kulturentwicklungsplanung fänd Norbert Hackbusch eigentlich sehr spannend. In Hamburg sei dieses Thema bislang kaum diskutiert worden, obwohl andere Kommunen und Länder zeigen, dass ein Kulturentwicklungsprozess genau das leisten kann, woran es in Hamburg momentan fehlt: Eine Bestandaufnahme der kulturellen Infrastruktur, eine partizipative Entwicklung von Visionen und eine Schwerpunktsetzung, im dialogischen Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Auch in 2015 wird es eine Fortsetzung unserer Stammtischreihe geben. Beim nächsten Treffen am 8. Januar um 19.30 Uhr haben wir Isabella Vértes-Schütter, kulturpolitische Sprecherin der regierenden SPD und Leiterin des Ernst-Deutsch-Theaters, zu Gast. Der genaue Ort wird noch bekannt gegeben. Anmeldungen und gerne auch gewünschte Gesprächsthemen/Fragen an Isabella Vértes-Schütter bitte vorab an: veranstaltung@nwkm.de