Kultureinrichtungen sind wichtige Kommunikations- und Erlebnisorte. Ihr Streben reicht von Bildung bis Unterhaltung. Das Institut KMM Hamburg hat viele von ihnen über Jahre hinweg begleitet – Einrichtungen in privater und in öffentlicher Trägerschaft sowie große und kleine, kommerzielle und nicht-kommerzielle Einrichtungen. Die zentralen Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Praxisbegleitung stellt es nun in einem Fachbeitrag vor. Auszüge daraus:

Warum nicht die größten Kultureinrichtungen auch die kreativsten sind

Die Annahme, dass die größten Kultureinrichtungen zugleich die kreativsten seien, hat sich signifikant nicht bestätigt – eher ist das Gegenteil der Fall. Auch hat sich nicht bewahrheitet, dass diejenigen Einrichtungen, die über gute finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, das abwechslungsreichste Programm anböten bzw. die meisten Menschen erreichten. Es zeigt sich nachdrücklich, dass für den Erfolg der Kulturarbeit weniger die Größe und die Ausstattung der Einrichtung entscheidend sind, als vielmehr Flexibilität und Engagement der Mitwirkenden. Hier sind die großen und die finanziell gut ausgestatteten Einrichtungen sogar gefährdet: Nicht selten werden große Einrichtungen zu einer „Bürokratie-Burg“, auf der man sich eher um sich selbst als beispielsweise um Bewohner und Gäste am Standort bemüht.

Kultureinrichtungen funktionieren zwar anders, sind aber dennoch vergeichbar

Mitarbeiter in nicht wenigen Einrichtungen hören dies gar nicht gern: Von der Annahme, dass ihr Haus in sämtlichen Abläufen etwas ganz Besonderes sei und sich ihre Arbeit daher mit keiner anderen Einrichtung vergleichen ließe, lassen sie sich nur ungern abbringen. Und doch bestätigen langjährige Analysen, dass sich betriebliche Abläufe auch ebendort sehr wohl prinzipiell mit anderen betrieblichen Prozessen vergleichen lassen – zunächst vollkommen unabhängig von den angebotenen Produkten und Dienstleistungen. Das Management von Kultureinrichtungen ist also dem Management anderer Betriebe erheblich ähnlicher als es Verantwortliche von Kultureinrichtungen anerkennen wollen. Die Empfehlung „Bereitschaft zeigen, bei allgemeinen Dingen auch mal auf Erfahrungen Anderer zurückgreifen.“ fusst letztlich auf einer Binsenweisheit: „Nicht bei allen betrieblichen Entscheidungen das Rad neu erfinden wollen.“

Kultureinrichtungen sind vielfach Kooperations-Muffel

Korrespondierend mit der (in der Regel unzutreffenden) Annahme, einzigartige und nicht übertragbare Abläufe im eigenen Haus zu haben, zeigen sich viele Kultureinrichtungen im betrieblichen Alltag wenig kooperationsbereit. Selbstverständlich gibt es bereits das eine und andere Miteinander – im Ausstellungswesen ebenso wie z.B. bei Theaterproduktionen. Viel häufiger aber sind Kooperations-Ablehnungen – allgegenwärtig z.B. hinsichtlich einer gemeinsamen Nutzung von Werkstatt-Kapazitäten oder der (Online-)Vermarktung. Die Langzeit-Studie belegt: Die Nachteile von Kooperationen sind erheblich kleiner als vielfach dargestellt, zugleich sind die Vorteile um ein Vielfaches umfangreicher als häufig zugegeben. Doch bislang steht vielfach der Stolz der Verantwortlichen einer betrieblichen Vernunft im Wege. Dabei könnten große Einrichtungen in vielen Aspekten sogar von klein(er)en Einrichtungen lernen – z.B. hinsichtlich kreativer Überlegungen zur Gewinnung von Besuchern und hinsichtlich der Gestaltung ihres Internet-Auftritts. Kleinere Einrichtungen wiederum könnten ihre kapazitär begrenzten Möglichkeiten besser ausschöpfen, wenn sie bei Aufgaben, die sich in dieser Form auch in anderen Kultureinrichtungen finden, z.B. Buchhaltung und Administration, (enger) zusammenarbeiteten. Die Empfehlung: „Kooperation im Verborgenen und Eigenständigkeit im Sichtbaren“.

Kulturvermittlung außerhalb des Kerngeschäfts?

Kulturvermittlung – z.B. Musikvermittlung, Theater- oder Museumspädagogik – leidet bereits im Grundsatz darunter, dass nahezu jede Einrichtung darüber spricht und dazu auch „irgendetwas“ anbietet, doch nur in wenigen Fällen ein wirklich systematisches und stringentes Vermittlungskonzept vorliegt. Zur Kulturvermittlung zählen alle Bemühungen, dem Besucher die Einrichtung und das künstlerische Angebot näher zu bringen, also das Anliegen des Hauses transparent zu machen. Ein Vermittlungskonzept umfasst daher nicht nur einzelne Angebote, sondern idealerweise ein aufeinander abgestimmtes Angebotssortiment. Darüber hinaus gehört hierzu auch eine entsprechende „Vermarktung“ dieser Angebote, sprich: ein Publik-Machen der einzelnen Vermittlungs-Offerten bei den entsprechenden Zielgruppen – womit man wieder beim Kulturmarketing wäre.

Von Alfred Lichtwark, dem Nestor der deutschen Museumspädagogik und legendären Direktor der Hamburger Kunsthalle, wird erzählt, er habe, angetan mit Gehrock und Zylinder, morgens im Foyer seines Museums die ersten Besucher abgepasst und ihnen im Gespräch die Kunstschätze seiner Sammlung erläutert. Das Selbstverständnis der Museumspädagogik geht auf ein Konzept der ästhetischen Erziehung zum Staatsbürger zurück, das über Lichtwark und Humboldt zurückreicht in die Bildungsideologie der Aufklärung. Die „Vermittlung“, bekanntlich eine der Kernfunktionen der Museumsarbeit, konstituiert eine „Mitte“, die durch den professionellen Museumskustoden besetzt ist. Er ist Mittler zwischen Exponat und Publikum, Interpret jener „Botschaft“, die den Inhalt pädagogischer Anstrengung darstellt. Er ist aber auch Sachwalter des Publikums, dessen Bildungs- und Erlebnisansprüche er aufgreift und organisiert.

Trotz dieser Gedanken und langjährigen (Er)Kenntnisse scheint Kulturvermittlung vielerorts in der Krise zu stecken. Die anhaltende Haushaltsmisere der Träger hat zu stagnierenden oder rückläufigen Etats geführt. Disponible Mittel werden von der Kulturvermittlung abgezogen und auf die vermeintlichen Kernaufgaben konzentriert – vollkommen negierend, dass auch Kulturvermittlung zu den Kernpflichten von Kultureinrichtungen gehört.