Am 20. März erscheint das Buch „Der Kulturinfarkt“ von Dieter Haselbach (Leiter des Zentrums für Kulturforschung bei Bonn), Armin Klein (Professor für Kulturmanagement in Ludwigsburg), Pius Knüsel (Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia) und Stephan Opitz (Leiter des Referats für Kulturelle Grundsatzfragen im Bildungsministerium von Schleswig-Holstein).
Prof. Dr. Friedrich Loock, Direktor des Instituts KMM Hamburg, dazu:
Der Forderung, das System der Kulturförderung zu überprüfen, wird im Grundsatz niemand ernsthaft widersprechen. Doch so klug waren wir auch schon vor fünf Jahren und sie hat an Aktualität nichts eingebüßt. Natürlich gibt es bundesweit Orte, an denen sich sogar Hausschließungen oder zumindest Zusammenlegungen empfehlen. Und natürlich gibt es Einrichtungen, die katastrophal wirtschaften oder unter zu starker politischer Einflussnahme leiden. Selbstverständlich werden auch in der Kultur(politik) viele Fehler gemacht, auch in der politisch (und gesellschaftlich) motivierten Kulturförderung. Warum beispielsweise eine Staatsoper Jahr für Jahr quasi automatisch zig Millionen zur Verfügung gestellt bekommt, muss gefragt werden dürfen; auf deren Argumentation darf man gespannt sein. All dies ist wahr und längst bekannt. Es gibt viel zu tun, keine Frage.
Und dennoch hilft die in dem Buch gewählte Pauschalierung nicht in der Sache. Sie schadet ihr eher – und diese Einschätzung hat nichts mit „reflexartiger Subventionsverteidigung“ zu tun. Aber möglicherweise sind die Autoren primär an Öffentlichkeit interessiert, denn alle vier Autoren sind erfahren in Eigen-PR. Die aktuelle Berichterstattung dokumentiert, dass sie dieses Ziel erreicht haben. Handelten sie also primär aus sarrazinischem Kalkül? Für diese Vermutung gibt es durchaus Anhaltspunkte und dieses Handeln wäre fatal. Es nährt Vorurteile gegen eine vermeintliche „Kultur nicht für Alle“, ohne dem – durchaus sanierungsbedürftigen – Kultursystem wirklich zu helfen. Solch ein Vorgehen richtet großen Schaden an, denn es macht die zahlreichen Bemühungen zunichte, die es landauf und landab auf dem „kleinen Dienstweg“ bereits zuhauf gibt. Es hilft anderen, unheilige Allianzen zu schmieden – das Bild „Büchse der Pandora“ drängt sich auf.
Überzeichnungen sind hier und da ein hilfreiches Instrument zur Veranschaulichung, aber viele der in dem Buch angesprochenen Perspektiven und Vorschläge gehören nicht dazu. „Man sollte Dinge so einfach wie möglich darstellen, aber nicht einfacher“, das wissen wir seit Einstein und erleben es jeden Tag neu. Das Kultursystem ist (bedauerlicherweise) ein höchst komplexes System, das sich nicht so leicht entwirren lässt. Wenn es sich so leicht lösen ließe, dann hätten wir die von den vier Autoren kritisierten Strukturen heute nicht. Wir brauchen differenzierte Argumente mit Augenmaß. Vorschläge, z.B. 50% der öffentlich getragenen Kultureinrichtungen zu schließen, zählen nicht dazu. Das ist einfältiges Kanonendonnern, zumal wir in vielen Theatern und Museen statt eines Strukturproblems auf zentralen Funktionen eher ein Besetzungsproblem haben. Mit einer strukturellen Radikalkur allein – die in Einzelfällen durchaus helfen kann, aber eben nicht flächendeckend – ist der Kultur nicht gedient. Das System braucht mehr denn je auch gute Köpfe … und gute Konzepte: Eben diese Chance verpasst das Buch leider.